There is no such thing as a free lunch – diese Lebensweisheit mögen viele von euch bereits gehört haben, denn nichts im Leben ist kostenlos. Das gilt ganz besonders beim Trading. Egal, wie man an der Börse einen Gewinn erzielt hat, dieser wurde nur erzielt, weil man Geld riskiert hat.
Glaubt man, eine gute Möglichkeit für einen Trade gefunden zu haben, darf man nie vergessen, die andere Seite zu betrachten: Wie viel kann man bei diesem Trade im Worst Case verlieren? Vor allem Trader mit wenig Erfahrung lassen sich häufig vom Gewinnpotenzial blenden und vergessen dabei völlig die Frage, welches Risiko eingegangen wird. Ich spreche übrigens (leider) aus eigener Erfahrung, denn auch ich habe diesen Fehler zu Beginn meiner Tradingkarriere häufig gemacht.
Wie bringt man also den potenziellen Gewinn und den potenziellen Verlust in Relation zueinander?
Der Schlüssel dazu ist das sogenannte Chance-Risiko-Verhältnis (CRV). Dabei wird der potenzielle Gewinn (Chance) durch den potenziellen Verlust (Risiko) geteilt, den man erleidet, wenn sich der Trade in die falsche Richtung entwickelt.
Hat man also eine Handelsmöglichkeit entdeckt, bei der man einen potenziellen Gewinn von 200 Euro erwartet und dafür 100 Euro riskiert, dann ergibt sich ein CRV von 2:1.
Um das Ganze zu veranschaulichen, habe ich hier ein Beispiel für euch:

Ein Trader will auf einen fallenden Kurs des DAX setzen und öffnet daher per CFD eine Short-Position bei einem DAX-Kurs von 19.643,4 Punkten. Der Trader erwartet, dass der Kurs des DAX um 100 Punkte sinken wird, also setzt er den Take Profit bei 19.543,4 Punkten. Den Stop-Loss setzt er 50 Punkte entfernt, also bei 19.693,4 Punkten. Da mit einem Kontrakt gehandelt wird, entspricht der Wert eines DAX-Punktes genau 1 Euro. Der potenzielle Gewinn dieses Trades beträgt somit 100 Euro, während der potenzielle Verlust 50 Euro entspricht. Es ergibt sich demnach ein CRV von 2:1.
Durch die Begrenzung des Risikos auf 50 Euro wurde in diesem Beispiel genau 1 % des Trading-Kapitals eingesetzt. Warum das relevant ist, erfährst du hier.
Die Bedeutung der Trefferquote
Aber: Ist man also profitabel, wenn man bei jedem Trade auf ein hohes Chance-Risiko-Verhältnis achtet? Nein. Das CRV muss immer zusammen mit der Trefferquote betrachtet werden. Eine Strategie mit einem CRV von 2:1, bei der man aber nur jeden fünften Trade gewinnt und somit eine Trefferquote von 20 % hat, wäre nicht rentabel. Nach 100 Trades würde man im oben dargestellten Beispiel insgesamt 2.000 Euro verlieren, denn 20 Trades mit je 100 Euro Gewinn und 80 Trades mit je 50 Euro Verlust ergeben einen Verlust von 2.000 Euro.
Eine Trefferquote von 35 % jedoch würde bei einem CRV von 2:1 schon reichen, um profitabel zu sein. In diesem Fall könnte man nach 100 Trades einen Gewinn von 250 Euro vorweisen (35 x 100 – 65 x 50 = 250). Das bedeutet, man muss nicht einmal jeden zweiten Trade gewinnen, um langfristig erfolgreich zu sein.
Diese Erkenntnis ist deshalb so wichtig, weil Tradingstrategien mit Trefferquoten von weit über 50 % sehr selten sind. Man sollte daher skeptisch werden, wenn jemand eine Strategie mit einer extrem hohen Trefferquote präsentiert.
Behauptet ein Trader, 99 % aller Trades zu gewinnen, dann kann man davon ausgehen, dass sein CRV extrem niedrig ist und der Trader das Risiko eingeht, früher oder später einen Totalverlust seines Kapitals zu erleiden. Werden zum Beispiel 99 Trades mit einem Gewinn von je 100 Euro realisiert, um dann beim 100. Trade einen Verlust von 20.000 Euro zu erleiden, errechnet sich in diesem Extremfall ein CRV von 0,005:1.
Fazit: Wie man sieht, ist es entscheidend, sich bei jedem Trade des potenziellen Verlusts bewusst zu sein und den Trade immer mit einem Stop-Loss abzusichern. Denn das wichtigste Werkzeug eines Traders ist nicht der PC oder der Broker, sondern das Kapital. So wie ein Bäcker ohne Mehl nicht backen kann, kann ein Trader ohne Kapital nicht traden.